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Im Schatten der Ewigkeit: Eine Meditation über das Baseballspiel Ratingen 2 gegen Marl 2

  • Spielbericht   Herren 2

Ein Spiel in sieben Akten – oder das Ringen des Menschen mit der Zeit.

Es beginnt am 3. Mai 2025 wie alles beginnt: harmlos.
Ein Samstag, der Himmel über Marl offen und freundlich, die Luft mild, die Zuschauer langsam eintreffend. Zwei Bezirksligateams, Goose-Necks gegen Sly Dogs, die zweite Mannschaft beider Vereine, Namen, die im großen sportlichen Weltgedächtnis nicht vorkommen, aber in der Tiefe des Geschehens dennoch alles bedeuten.
Und so steht man da, auf staubigem Infield, unter einem Himmel, der sich nie ändert, und spielt ein Spiel, von dem man meint, es werde in zwei, höchstens drei Stunden beendet sein. Doch was dann geschieht, ist keine Sportberichterstattung mehr. Es ist ein metaphysisches Drama. Ein langsames, tiefes Absinken in das, was der Mensch normalerweise meidet: das Bewusstsein seiner selbst im Angesicht des Vergehens, im Angesicht der Zeit, die nicht mehr vergeht, sondern sich zu dehnen beginnt, sich aufwölbt, zurückspringt, stottert, schweigt – und dann wieder schreit.
Man könnte sagen: das Spiel begann gut. Doch was heißt das? War es ein „guter Anfang“ im sportlichen Sinne – oder war es ein Trugschluss, eine Täuschung, ein wohlgesetzter Auftakt, wie man ihn aus der Tragödie kennt? Die Goose-Necks, Gäste an diesem Tag, eröffneten mit Disziplin. Lahmers und Wöllenstein gingen mit klarem Blick auf Base. Nicht durch Schläge, sondern durch Walks. Eine subtile Form der Präsenz, wie man sie auch in der Philosophie kennt: sich seiner enthalten und trotzdem da sein. Zwei Stolen Bases – Bewegungen ins Ungewisse, vorwärts, obwohl die Gefahr zurückzieht. Michels und Feddern schlagen die beiden Heim. Zwei Punkte. Man nickt, man freut sich. Und doch: Die Zeit beginnt hier bereits zu entgleiten.
Denn auf dem Mound steht Heiko Wolle. Kein Überwerfer. Kein phänomenales Talent. Wolle ist einer, der weiß, dass man in diesem Spiel auch verlieren kann. Er pitcht präzise und manchmal überragend. Marl antwortet mit zwei Punkten. Ein Double bringt den Ausgleich. Und der Ball liegt im Dreck, noch ehe der Gedanke an Kontrolle gefasst werden kann. Schon ist das Spiel aus der Hand geglitten, obwohl es gerade erst begonnen hat.
Im zweiten Inning geschieht etwas Merkwürdiges. Wolle schlägt selbst ein Double. Der Pitcher als Retter? Oder ist das nur der Schein einer Wendung? Die Goose-Necks gehen in Führung, durch ihn und durch Stockter. Doch das Spiel antwortet mit Unruhe. Marl erzielt einen weiteren Punkt. Die Defensive der Ratinger, sonst stabil, zeigt erste Risse. Es ist, als würde eine Wahrheit durchscheinen, die wir zu verdrängen versuchen: dass wir nicht Herr sind über das, was wir tun. Dass das Spiel einen eigenen Willen besitzt, und wir lediglich Spielfiguren auf einem Brett sind, das sich ständig verschiebt.
Dann kommt das dritte Inning. Es ist das Inning, in dem die Zeit kollabiert. Wöllenstein beginnt mit einem Single. Lahmers folgt mit einem Walk. Der Ablauf scheint bekannt – doch was folgt, ist eine Orgie der Wiederholung. Feddern geht aus. Doch dann: Single Schäfer. Single Wolle. Zwei Punkte. Single Stockter. Single Theisen. Wieder Lahmers. Und wieder Punkte. Sechs an der Zahl. Ein endloser Refrain. Die Punkte fließen wie Wasser aus einem geborstenen Becken.
Es ist die Hoffnung, die hier beginnt, sich selbst zu unterminieren. Denn sechs Punkte, das ist keine Sicherheit. Es ist ein Hochmut. Ein Wagnis. Eine Herausforderung an das Schicksal.
Und das Schicksal antwortet. Marl schlägt zurück. Neun Punkte. Neun. Es ist ein Zahlenwert, der in der biblischen Symbolik für das Ende eines Kreises steht, für die letzte Zahl vor der Rückkehr zur Eins. Drei Feldspielfehler – keine sportlichen Missgeschicke mehr, sondern existentielle Aussetzer. Man greift daneben, wirft daneben, denkt daneben. Das Inning hätte dreimal beendet sein können. Doch es wurde nicht beendet. Es wollte nicht enden. Es war ein Kreisgang der Schuld.
Heidegger spricht davon, dass das „Sein zum Tode“ ein ständiges Vorauslaufen sei. Doch in diesem Moment läuft niemand mehr voraus. Alle stehen. Erstarrt. In einem Zustand, den Kierkegaard als die Angst vor dem Möglichen beschreibt. Denn wenn alles möglich ist – auch das Versagen – dann ist nichts sicher. Und wenn nichts sicher ist, dann ist Zeit nur noch das zitternde Medium, in dem wir hängen wie Marionetten in einem Theater, dessen Fäden längst gerissen sind.
Im vierten Inning wirkt Ratingen erschöpft. Michels und Feddern bringen zwei Punkte nach Hause. Es ist ein Akt der Beharrlichkeit, aber ohne Glanz. Man gleicht aus. 12 zu 12. Doch Marl, mit einer fast dämonischen Kraft, setzt sich wieder ab. Drei Hits, zwei Outs, vier Punkte. Und wieder durch einen Fehler. Der vierte im Spiel. Es ist nicht mehr Dilettantismus. Es ist ein Fluch.
Und der Zuschauer, sofern er noch da ist, beginnt zu fragen: Wann endet es? Nicht das Spiel. Die Zeit. Wann kommt das Aus, das uns erlöst?
Doch es kommt nicht. Im fünften Inning bäumen sich die Goose-Necks auf. Lahmers mit einem Single. Wöllenstein wird getroffen. Feddern schlägt. Wolle schlägt. Stockter schlägt. Theisen schlägt. Degens schlägt. Sechs Punkte. Wieder sechs. Wieder das Gefühl, nun sei es entschieden. Aber es ist nicht entschieden. Nichts ist entschieden.
Denn Ratingen bleibt im sechsten Inning punktlos. Marl hingegen trifft. Wolle wird geschlagen. Grochowski übernimmt, wird kalt erwischt. Drei Punkte für Marl. 19 zu 18. Die Ratinger, die seit Inning drei immer wieder auferstanden waren, liegen erneut zurück.
Dann das siebte Inning. Letzte Chance. Letztes Kapitel – so glaubt man. Aber was ist schon ein „letztes Kapitel“ in einer Geschichte, die zyklisch ist? Grochowski walkt. Degens schlägt ihn heim. 19 zu 19. Zwei Aus. Dann Wöllenstein. Er trifft. Der Ball steigt. Steigt weiter. Und fällt – nicht über den Zaun, sondern auf ihn. Ein fast-Homerun. Der Inbegriff der Unvollkommenheit. Und doch: Führung.
Dann Michels. Dann Feddern. Bases loaded. Schäfer schlägt ein Double. Drei Punkte. 23 zu 19. Ein Sieg? Vielleicht. Vielleicht auch nur ein neuer Anfang.
Marl tritt ein letztes Mal an. Ein Aus. Ein weiter Schlag. Schäfer wirft zu Feddern, Feddern zu Wolle. Der Läufer ist aus. Ein Moment der Kontroverse. Der Schiedsrichter entscheidet. Die Entscheidung ist umstritten. Aber was heißt schon „gerecht“ in einem Spiel, das längst über Recht und Unrecht hinausgewachsen ist?
Ein letzter Flyout. Feddern fängt den Ball. Und damit: Ende.
Oder doch nicht?
Denn dieses Spiel, dieses sieben Inning lange Ringen, war kein Spiel. Es war ein Gleichnis. Über uns. Über das, was es heißt, Mensch zu sein. Über das Aushalten des Unentscheidbaren. Über das Ausharren im Unabgeschlossenen.
In einem Spiel, das über vier Stunden dauerte, trat etwas zutage, das größer war als Baseball. Eine Struktur der Wiederholung. Eine Logik des Beinahe. Eine Sehnsucht nach Erlösung, die nie ganz erfüllt wird.
Vielleicht, so könnte man sagen, war dieses Spiel ein kleines Abbild jenes Daseins, das Heidegger beschreibt: das ständige Vorlaufen zum Ende – ohne je anzukommen.
Denn das Ende – das wahre Ende – bleibt immer aus.
Und so gingen sie auseinander, die Spieler, die Zuschauer, die Schiedsrichter. Nicht als Sieger oder Verlierer. Sondern als Zeugen eines Ereignisses, das sich in der Zeit verloren hatte.
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< 1. Damen beim Saisonauftakt gegen Bonn, Foto: Silvio Husemann (14.04.25)

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Latest Results

Datum Zeit Heim Gast  
01.06.25 11:00 Schüler (U12) Cologne Cardinals :
  13:00 Schüler (U12) Cologne Cardinals :
  14:30 Ennepetal Raccoons Damen 2 :
  16:00 Ennepetal Raccoons Damen 2 :
31.05.25 10:00 Tossball (U10) Wuppertal Stingrays :
  11:30 Tossball (U10) Wuppertal Stingrays :
  12:00 Neunkirchen Nightmares Damen :
  14:30 Neunkirchen Nightmares Damen :
  15:00 Jugend (U15) 1 SG Crows/Senators :
29.05.25 13:00 Wesseling Vermins Damen :
  15:30 Wesseling Vermins Damen :

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